Auf den gestrigen Tag hatte ich mich sehr lange gefreut. Neben einem frischen Laugenbrötli war es mein Bike, welches ich auf der Reise echt vermisste. Dann der perfekte Tag nach drei Wochen kaltem Aprilwetter. Ich schwinge mich auf den Sattel, trete in die Pedalen und gleite für zwei Stunden durch sanfte Hügel, duftende Wälder, erfreue mich an blühenden Obstbäumen und der gewaltigen verschneiten Kulisse der nahen Alpenkette. Irgendwie komme ich erst jetzt richtig an, jetzt begrüsst mich die Schweiz von ihrer besten Seite!
Das konnten wir unmittelbar nach unser Ankunft nicht behaupten. Bei Regen und Temperaturen um den Gefrierpunkt betreten wir das Zollamt Schaanwald um den Sprinter als Überführungsgut in die Schweiz zu importieren. Der Empfang ist ernüchternd. Auf unser höflich vorgebrachtes Begehren erhalten wir erst mal eine Flut von Hinweisen auf fehlende Dokumente und Vorwürfe, dass man das alles auch per Internet hätte vorbereiten können. Tja, nun bringen wir halt ein wenig Arbeit in die Amtsstube. Alles halb so wild. Ein Formular muss ausgefüllt werden, was wir gewissenhaft in fünf Minuten erledigt haben. Dann wird vom System eine Stamm Nummer generiert - und Schwups - ist der Sprinter Schweizer. In der selben Zeit wird der Beamte zunächst höflicher, und dann sogar richtig nett. Manchmal lohnt es sich den Widrigkeiten des Alltags mit einem Lächeln und Anstand zu trotzen.
Dann die Fahrt nach Luzern. Alles sehr bekannt, als ob wir gestern hier durch gefahren wären. Ein bekannter Effekt, welcher uns die nächsten Wochen begleiten wird. Egal, wie lange man weg war, zurück in der Vertrauten Umgebung ist alles... ....vertraut halt. Als ob man nie weg gewesen wäre. Das andere Trauma vieler Rückkehrer langer Reisen, das ist die Tatsache dass sich niemand für die vielen Abenteuer interessiert. Weshalb sollten sie auch, sie haben sie ja auch nicht erlebt. Ist ja auch ein grosser Anspruch an das Umfeld, dass es begeistert stundenlangen Schilderungen über Dinge lauschen soll, von welchen sie keinen blassen Schimmer haben. Wie soll man jemandem die Stimmung an einer wuseligen honduranischen Grenze morgens um sieben rüber bringen, der noch nie da war. Unmöglich. Höchstens kurze Anekdoten, welche ein eh besprochenes Thema bereichern könnten liegen drin, der Rest ist Erinnerung und dieser Blog.
Tja, und dann ist da der Kulturschock Schweiz. Mal ehrlich, es gibt ja diese Bücherreihe eines grossen Reiseführerverlages, wie man Kulturschocks in aller Welt übersteht. Über die Schweiz gibt es keines, vor allem nicht für ahnungslose Rückkehrer. Zum Glück wurde der unsrige durch die zwei Wochen in Deutschland ein wenig abgemildert. Dennoch fallen uns einige Dinge auf, welche sich in unserer Abwesenheit verändert haben.
Die Schweiz ist teuer! Meine Fresse, beim ersten Mal sind wir mit fast leeren Händen, das zweite Mal nach einem Wocheneinkauf fassungslos aus dem Supermarkt getaumelt. Klar war sie das auch schon zuvor, aber nach zwei Wochen in Deutschland haben wir den direkten Preisvergleich - und die Differenz ist happig und dem Konsumenten nur schwer zu erklären. Vermutlich werden auch wir bald zu den Einkaufstouristen gehören...
Gleiches gilt für Immobilien an interessanter Lage. Mal sehen, ob wir von den geplatzten Blasen in England, Spanien oder den USA etwas lernen...
Dann scheint in de Schweiz die Iphonitis ausgebrochen zu sein. Fast jeder ab vier Jahren ist ständig fest mit einem solchen Teil verwachsen, surft ständig im Internet, ist dank Facebook über die Aktivitäten seines sozialen Netzwerks auf dem Laufenden, informiert über seine eigenen Aktivitäten, lädt ein paar Filmchen auf Youtube und beantwortet Mails in Echtzeit. O.k. erwischt. Das ist nun ein wenig übertrieben. Dennoch frage ich mich, ob ich wohl auch in Bälde auch noch Abends um 2300 Uhr bei einem Glas Wein mit Freunden reflexartig schnell meine Mails checken werde...
Amtlich ist es ja schon länger, nun auch noch der empirische Beweis. Die Schweiz ist das schnellste Land der Welt. Gratuliere! Auch das wird uns in wenigen Wochen nicht mehr auffallen, da wir uns dann mindestens gleich schnell im Hamsterrad drehen werden. Im Alltag äussert sich das an der omnipräsenten und kollektiven Ungeduld, welche man überall spürt wo der Schweizer über Gebühr warten muss. Also länger als ein - oder zwei Minuten. Sei es an der Kasse, Tankstelle oder im Verkehr, man spürt die aufgestaute Ungeduld und den Ärger über vergebene Effizienz fast schon körperlich. Das ist ein interessantes Phänomen. Die Schweiz ist so optimiert und effizient, dass jeder Verlust als persönliches Versagen erachtet wird. Ganz schlimm dabei ist, dass ich mich darin sehr gut selbst erkenne... ich muss mir also dringend Strategien zur nachhaltigen Selbstentschleunigung ausdenken. Sonst überlebe ich, wie viele hier, die nächsten Jahrzehnte nur schwer geschädigt. Allgemein muss sich unsere Gesellschaft überlegen, ob sich diese rasante und destruktive Lebensform mit längeren Arbeitszeiten - sagen wir realistisch gesehen bis 70 - verträgt. Aber dies ist eine andere Baustelle...
NICHT verändert haben sich unsere Familien und Freunde. Und das ist gut so! Klar, gab es hier und da neue Erdenbürger oder andere Veränderungen. Im Grossen und Ganzen blieb hier jedoch alles beim Alten. Schön ist es, sie nach und nach alle wieder zu treffen und wieder an die alte Vertrautheit anzuknüpfen.
So ist das. Und schon kurz nach unserer Ankunft durften wir die angenehme Seite der oben kritisierten Effizienz geniessen. In nur drei Stunden meldeten wir uns bei der Gemeinde an und kriegten alle Formulare, schlossen eine Krankenversicherung ab, regelten Bank - und Versicherungssachen, meldeten zwei Fahrzeuge an und assen einen Kebab. Nur in der Schweiz.
Dann nutzen wir das Aprilwetter, um Bewerbungen zusammen zu stellen und zu verschicken. Und spätestens damit kippte die Reise hinten raus. Erlebt, angekommen, noch eine wehmütige, schon leicht idealisierte Erinnerung. Und so soll es sein. Ich hielt nie viel von Weltenbummlern, welche aus ihren Reisen Altare und Kanzeln bauen von welchen sie dann ständig vom besseren Leben auf Reisen predigen und über ihr Dasein in der Schweiz jammern. Wir sind wieder hier, freuen uns auf das bewusst gewählte Leben in der Schweiz mit all seinen guten und nicht so prickelnden Seiten. Und ab und zu werden wir dann wehmütig vom Blockhaus im Wald mit Sicht auf den Vulkan träumen und uns ausmalen wie es wäre, wenn...
Tja, das war‘s dann wohl. Wir verabschieden uns, und danken allen welche in irgend einer Form bei unserer Reise dabei gewesen sind. Alleine geht es nicht und macht es keinen Spass. Dieser Blog bleibt online und ich werde auch in Zukunft mit abnehmender Aktualität gerne per E-Mail Fragen zum Thema Fernreisen, Fahrzeugwahl etc. beantworten. Am meisten freuen würde es uns, wenn diese Seite dem einen oder anderen den letzten Anstoss gibt, selbst los zu fahren. Gibt viel zu sehen, da draussen!